iwi-lyrik

Großvater

Stern Bacher-Opa

Ellys Opa kam manchmal in die Küche, wenn er draußen mit dem Schleifen der Rübenhäkchen fertig war. Er schliff sie mit einer Eisenfeile, indem er sie mit der Schnittseite nach oben in den Schraubstock spannte. Die Schneide begann zu glänzen und mit dem Daumen geprüft, ob sie noch stumpfe Stellen hatte. Gerne sah Elly bei solch handwerklichen Arbeiten zu.
Wenn also Opa in die Küche kam, machte er alleine Brotzeit. Elly setzte sich dann gerne neben ihn und löcherte ihn mit Fragen, auch bezüglich der verstorbenen Großmutter, die sie so liebte. Großvater versprach ihr, eine neue Großmutter zu kaufen, wenn er in die Stadt käme. Elly fragte, ob es die ganz selbe wäre, die auch solche Haare hat und so ein Gesicht und so rieche, wie die Oma. Er versprach es. Dann fragte Elly, warum er so gerne den Käse isst, der so stinkt. Dann trennte er ein kleines Stück Brot mit Käse ab und sagte: „Probiere mal, ein Käse muss stinken, sonst ist der nix.“  Das überzeugte Elly und jedes Mal, wenn sie heute einen Rohmilchkäse isst, denkt sie an den Großvater. Nach einem Jahr verstarb er, nachdem er noch nicht mal in der Stadt war. So wurde Elly klar, dass sie die Großeltern nie mehr sehen würde.

Doch da ging eine neue Tür auf.
Mutters Eltern aus dem Rheinland kamen in Ellys Leben.

Digitale Welt

Wäre Corona ohne diese Kommunikationsmöglichkeiten überhaupt auszuhalten gewesen?
Wie mag es denen ergangen sein, die isoliert waren, ohne diese Möglichkeiten.
Doch der Mensch ist erfinderisch. Ältere Menschen haben vermutlich mehr Möglichkeiten, auf ihre Fähigkeiten zurückzugreifen und sie neu zu entfachen, wie Handarbeiten, Malen, Schreiben, als jüngere Leute.
Doch wer kann lange alleine durchhalten?
Gott sei Dank, waren die Jahre des Darbens irgendwann vorbei.
Die Befürchtungen, in Gemeinschaften zu gehen, bleiben. Verreisen vorübergehend nur noch von zu Hause aus, denn wir haben private 4K-Aufnahmen von Reisenden entdeckt. Sie wandern durch die Straßen von sehenswerten Städten, wie Paris, London, Tokio, Wien …
Wir trinken nebenbei im „Café Sofa“ unseren Kaffee und sind doch mitten drin in der Stadt.

Vienna in 4K (youtube.com)

Ostern `69

Peinliche Erinnerung an einen Karfreitags-Spaziergang

Ich dürfte 17 gewesen sein, als ich mir einen lachsroten, eng geschnittenen Sommermantel kaufen durfte. Dazu kam ein Bonanza-Hut aus beigem, fein gefilzten Material. Die breite Krempe war so eingeschnitten, dass sich kleine Franzen ergaben. Ich fand mich toll damit und wollte nicht bis Ostern warten, um damit in die Kirche zu gehen.
Also nutzte ich den schönen Frühlingstag am Karfreitag, um spazieren zu gehen, statt in die dunkle Kirche, wie sonst jedes Jahr.
Weil ich mir doch etwas overdressed vorkam, ging ich den Feldweg hinaus in unsere Felder und bedachte nicht, dass es dort immer sehr windig war, der Wind kam von der Alb her und ich musste diesen blöden Hut ständig festhalten, dass er mir nicht vom Kopf wehte. Zudem wirbelten mir die langen Haare um den Kopf und ins Gesicht, sodass ich gerne umkehrte. Sehe ich mich aus der Sicht der Dorfbewohner, würde ich sagen, dass sie dachten: „So eine eingebildete Ziege!“ Doch Gott sei Dank, hat mich niemand gesehen. Den Hut habe ich nie wieder aufgesetzt und lange im Schrank bewahrt. Jahre später, als ich schon verheiratet war, schmückte er mich, bei einem Faschingsball.